Das Dommuseum in Mainz hilft den Museen im Ahrtal
Als das Hochwasser Mitte Juli kam, riss es alles mit sich: Menschen, Häuser, Autos. Auch viele Kunstschätze versanken in Wasser und Schlamm. Zehn Tage später klingelte das Handy von Dr. Anja Lempges, stellvertretende Direktorin des Bischöflichen Dom- und Diözesanmuseums in Mainz. Sie wurde um Hilfe gebeten. Gemeinsam mit Benediktinerin Schwester Johanna Stüer organisierte sie eine Nothilfe für versehrte Skulpturen und andere Kunstgegenstände.
Viele Skulpturen haben tagelang im Wasser gelegen, waren mit Schlamm, Fäkalien und Schimmel überzogen. Ein LKW brachte die versehrte Fracht nach Mainz. Als Lempges die Figuren aus den Kisten auspackte, hatte sie Tränen in den Augen: „Mir hat es die Sprache verschlagen, mit welchem Ausmaß an Zerstörung ich es hier zu tun hatte“, sagt sie. Und weiter: „Der Geruch ist unbeschreiblich, mit einem Hauch von Verwesung, man kann es kaum ertragen.“ Das Dom- und Diözesanmuseum übernahm Möbel und einige Skulpturen in sein Außendepot und beauftragte Sr. Johanna aus dem Kloster Engelthal mit der Nothilfe für neun Skulpturen.
Unter den Kunstschätzen war zum Beispiel eine Figur der Anna selbdritt aus dem 15. Jahrhundert, die eigentlich in der St. Anna-Kapelle in Bachem stehen sollte. Sie war kurz vor der Flutkatastrophe restauriert worden. Als die Figur in Mainz ankam, war sie vollständig mit Schlamm überzogen. Ein idealer Nährboden für Schimmelpilze. „Schimmelpilze sind ja nicht nur oberflächlich, sondern sie gehen in die Tiefe des Holzes und zerstören es mit der Zeit. Das Holz beginnt von innen zu zerfallen“, erklärt Lempges. „Die Figur wird viel Hilfe brauchen, um wieder in ihrer alten Pracht erstrahlen zu können“, sagt sie.
„Wir haben es ja mit Werken zu tun, die eine spirituelle Aussage haben“
Trotz aller Schwierigkeiten freut sich Schwester Johanna, dass sie an der Aufgabe beteiligt ist, „Erste Hilfe“ zu leisten. „Wir haben es ja mit Werken zu tun, die eine spirituelle Aussage haben. Sie wiederherzustellen und in der Substanz zu sichern, ist für mich ein Erfolg.“ Gleichzeitig betont sie, dass sie nur eine Notversorgung leisten könne. Sie bereitet die Objekte vor, damit sie an andere Spezialisten weitergegeben werden können. Mit der Schimmelpilzbekämpfung wird zum Beispiel ein Dienstleister beauftragt, denn dafür ist die Restaurierungswerkstatt im Kloster nicht eingerichtet.
Eines der Kunstwerke ist der so genannte Schmerzensmann. „Wir nennen ihn Schmerzensmann, aber wir gehen davon aus, dass es ein Kruzifix war“, sagt Schwester Johanna. Für dieses Kruzifix, das später zu einem Grablege-Christus umgestaltet wurde, war die Flutkatastrophe im Ahrtal nicht das erste Flut-Unglück: „Soweit ich weiß, wurde er 1804 schon einmal angeschwemmt“, sagt Schwester Johanna. „Jetzt hat er eine vergleichbare Katastrophe erlebt, und es ist für uns wie eine Offenbarung, dass er unversehrt wieder aus allem hervorgegangen ist. Er ist wie ein Symbol, dass das Leben weitergeht.“