Leben am Mittelrhein am Vorabend der Reformation
Die Gerechtigkeit lit in grosser Not / die Wahrheit ist geschlagen dot: Mit diesen bitteren Worten beginnt die sog. „Gerechtigkeitsspirale“, die Inschrift einer 1510 in Kiedrich aufgestellten Kirchenbank. Sie bezeugt bis heute den Anspruch der Bevölkerung am Mittelrhein auf Recht, Wohlstand und politische Selbstbestimmung in einer Zeit, die geprägt war von Armut, Krankheit und der ständigen Furcht vor Hölle und Fegefeuer.
Auf diesen Ruf nach sozialer, wirtschaftlicher und religiöser Gerechtigkeit antworten die Mainzer Erzbischöfe mit einer „Wirtschafts- und Bildungsoffensive“. Mit der Gründung der Mainzer Universität 1477 hält die humanistische Bildung Einzug und erfasst Laien und Kleriker gleichermaßen. In Kloster Eberbach entsteht mit 70.000 Litern das größte Fass der Welt. Ton wird zum wichtigsten Material der mittelrheinischen Skulptur und unter Verwendung von Modeln erstmals in „moderner“ Weise seriell geformt. Damit entsteht unter der „Regierung des Krummstabes“ um 1500 am Mittelrhein eine Innovativregion des Reiches. Herausragende Kunstwerke und historische Zeugnisse aus der letzten großen Blütezeit des Späten Mittelalters erzählen von der verblüffenden Modernität jener Umbruchszeit.